Wie, Zum Geier, Soll Ich Patienten Ändern, Wenn Das Werbefernsehen Mir Knüppel Zwischen Die Beine Wirft???
Ich bin gerade unfassbar frustriert über ein Problem, was ich eigentlich schon seit Jahren habe. Nur ist jetzt die Uni schuld...
Folgendes:
Die Uni Köln mit ihrem Modellstudiengang für Medizin unterrichtet im 6. Semester das Kompetenzfeld Lebensstil. Es handelt davon, wie man mit seiner Verhaltensweise die wichtigsten Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen mit ihren Vorboten Hypertriglycerdidämie, Bluthochdruck und Hypercholesterinämie aufhalten kann und dass Lebensstilveränderungen wesentlich effektiver sind als jegliche Medikation.
Und so sehr ich es schätze, dass die Uni das lehrt, so sehr bin ich frustriert darüber, dass den Pharmakologen, die damit beauftragt wurden den Studenten dieses Thema nahe zu bringen, nicht klar ist, dass es nicht wirklich möglich ist das Patienten nahe zu bringen. Ich sag mal ca. 95% der Patienten in der Endokrinologie nahmen derartige Aufforderungen ihrer Ärzte absolut nicht an. Egal ob sie nicht konnten oder nicht wollte. Der ein oder andere hingegen war dabei, bei dem es Klick gemacht hat, der seine Ernährung umgestellt hat und anfing Sport zu machen, aber das ist wirklich nur ein Bruchteil der Patienten.
Fast jeder hat ja auch so einen Verwandten, der Diabetiker ist oder unter Bluthochdruck leidet, aber auf Teufel komm raus sein Leben oder seine Ernährung nicht umstellen will.
Ich habe angefangen Medizin zu studieren in der Hoffnung, dass wenn ich Dr. med. bin, die Leute auf mich hören. - Das, meine Lieben, ist Pustekuchen!!!
Genau so oft kriege ich aber E-Mails von Lesern, die mir erzählen: "Ich bin so froh, dass ich dein Blog gefunden habe. Jetzt endlich habe ich mein Cholesterin in den Griff gekriegt. Mein Arzt hat mir nichts davon gesagt, das ich mit Ernährung was daran ändern könnte" oder "Mein Arzt hat mir zu Paleo geraten" - Übrigens jeder Arzt der zu Paleo oder LowCarb in diesem Zusammenhang rät, hält sich nicht an die Lehrmeinung. Die Lehrmeinung kam hier in der Uni auch zur sprache und die sieht so aus: Wenig Fett, viel Obst und Gemüse, salzarm, Eiweiß eher auf pflanzlichen Quellen. Was nicht gesagt wurde ist, je nachdem wie streng man da vorgeht, desto größer sind die Ergebnisse die man erzielen kann. Ist aber eh egal, weil die Patienten eh nicht auf einen hören. - Meine Empfehlungen sind dementsprechend auch sehr streng. Von nichts kommt nichts.
Das führt aber auch bei Ärzten zu Frust. So erzählte mir meine Hausärztin, dass sie sich fast schon nicht mehr trauen würde, einem Diabetiker zu erzählen, dass er seine Ernährung und seinen Zucker- und Fettkonsum ändern müsse. Das sei regelrecht eine Form des Selbstschutzes, sagte sie. Wenn man mit einem Anliegen immer und immer wieder zurückgewiesen wird, bringt man es irgendwann auch nicht mehr an.
Schlussendlich sah ich mich dann aber gestern auch gezwungen, nachdem ich erwähnt habe wie großartig ich es finde, dass das überhaupt gelehrt wird, zu fragen wie ich denn als Arzt in 10 Minuten Gesprächszeit es schaffen soll gegen all die Schokoladenautomaten in der Klinik anzukommen, gegen die Sahnetorte in der Uniklink-Cafeteria, gegen das hundsmieserable und die Krankheit fördernde Krankenhausessen und gegen Krankenschwestern, die dem Diabetiker auf Wunsch eine Flasche Fanta aus der Cafeteria holen, und nicht mal Fanta Zero, denn die schmeckt dem Patient nicht.
Ich sehe mich als Arzt mit diesem Anliegen gegen Windmühlen kämpfen und die größte davon ist das Werbefernsehen. Denn wenn die sagen, dass in Milchschnitte viele wertvolle Zutaten enthalten sind, dann glaubt der Patient lieber das. Und vor allem glaubt er, dass die Dinge, die im Werbefernsehen angepriesen werden, Nahrungsmittel sind. Das sind sie nicht. Da sind viel zu wenig Nährstoffe drin, mit Ausnahme von Kalorien, als dass sie als Nahrungmittel gelten könnten. Das sind ausschließlich Genussmittel! Wofür gewirbt wird ist nicht, was man essen sollte. Das ist was man MAL genießen kann.
Aber Werbung wirkt. Wurde gestern wieder in "Wissenschaftliches Publizieren in der Medizin" von dem lehrenden Psychiater angesprochen. Die Industrie macht Studien darüber dass es funktioniert und die Pharmaindustrie macht sogar Studien darüber, wie Werbung, die auf Ärzte wirken soll, gestaltete werden muss. Wie soll dann Otto Normalverbraucher nicht von Werbefernsehen manipuliert werden.
Ich als Arzt allein, kann hier jedenfalls nichts ausrichten. Ich brauche Unterstützung von der Regierung, wie ich beim Rauchen auch Unterstützung bekomme. Ich brauche für Zucker, Weissmehl, Fett und allen Mischungen daraus Gesetzt, die sie in öffentlichen Einrichtungen, z.B. in Krankenhäusern oder Kindergärten und Schulen verbietet, ich brauche Werbeverbot dafür und ich brauche Plakatkampagnen wie die gegen übermäßigen Alkoholkonsum, wie "Gib AIDS keine Chance" und wie "Stäbchen rein, Spender sein". Ohne hat jeder Versuch Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen zu verhindern keine Chance. Otto Normalverbraucher ist, was Ernährung betrifft, völlig gehirngewaschen durch die Werbung.
Und ich persönlich habe jetzt schon keine Lust mehr zu praktizieren. Das ist für mich völlig frustrierend und für die Patienten verlorene Liebesmüh. Ich glaube ich werde wirklich ausschließlich YouTube Arzt. Alles andere ist total ineffektiv!
Menü des Tages am 16. Dezember 2015
Brokkoli und Tomaten
Haferflocken mit Banane, Apfelmus, Acai, Paranuss, Leinsamen, Mandeln, Zimt, Mandarine, Sunwarrior
Brokkoli, rote Linsen, Quinoa und Salz
Chocolate Chip Muffin
Salat mit Apfelvinaigrette, rote Linsen und Quinoa
2 Mandarinen
2 Bananen
Ich mache gerade eine Doku bei YouTube darüber wie günstig ich 7 Tage lange vegan und gesund leben kann. Tag 1 habt ihr in meinem letzten Eintrag schon gesehen, wo der vegane Weihnachtsmarkt gefeatured war. Jetzt gibt es Tag 2-4, welches leider doch länger geworden ist als ich dachte. Tag 2 und 3 dauert 6 Minuten und Tag 4 dann auch 6 Minuten. Wer konnte das ahnen!
Ich übe mich gerade in Filmbearbeitung und all so'n Zeug, weil ich davon quasi gar keine Ahnung. Ich weiß, wie es aussehen soll, egal ob YouTube oder Fernsehen, aber ich beherrsche die Werkzeuge nicht. Das ist fast wie ein Instrument lernen! Manchmal mühselig und man macht viele Fehler. Und je älter man wird, desto schwerer wird es auch...
Aber YouTube ist vielleicht das einzige Medium, was mir helfen kann die Patienten wirklich auf die rechte Bahn zu bringen. YouTube kommt zu einem nach Hause, bei YouTube kann man interagieren, bei YouTube werden die Dinge so benannt, wie der Laie sie auch versteht und nicht Fachchinesisch gesprochen und bei YouTube kann ein Arzt seinem Patienten vorleben wie man gesund lebt!
Fatal bei YouTube ist nur, dass da auch jeder Dilettant und Vollspacko seinen Senf dazu gibt... aber ein Arzt der Paleo empfiehlt ist ja auch nichts besser...
Alles Liebe,
Silke
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