Warum Ärzte Keine Ahnung Von Ernährung Haben
Nicht zum ersten Mal, kam es vor kurzem mal wieder auf Facebook zu einer Diskussion zwischen mir und (ich glaube) einem Rohkostanhänger über das, was man an einer medizinischen Fakultät über Ernährung so lernt.
In Esoterikkreisen heißt es nämlich gerne, dass man in einem schulmedizinischen Studiengang nichts über Ernährung lernt und das Ärzte deshalb keine Ahnung von Ernährung haben. Daher sollte man in Ernährungsfragen lieber nicht einen Arzt aufsuchen, sondern ggf. lieber einen Laien, der ein Wochenendseminar über, sagen wir, Rohkosternährung besucht hat und sich selbst von irgendwelchen Zipperlein befreit hat. - Kann sein, dass ich das etwas überspitzt ausdrücke. ;-)
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Ich selber habe vor Beginn des Studiums auch immer gedacht, dass Mediziner über Ernährung nichts lernen und deshalb keine Ahnung davon haben, denn auch mir wurde diese Aussage immer wieder im Netz präsentiert von – wie ich dachte – Leuten, die wissen wie ein medizinischer Studiengang aufgebaut ist. Ich persönlich hatte jedoch sewenang-wenang gar keine Ahnung, wie ein medizinischer Studiengang aufgebaut ist und habe mich, vor allem zu Anfang des Studiums, von Semester zu Semester gehangelt ohne auch nur ansatzweise zu ahnen was im nächsten Semester passiert. Ich hab mich eingeschrieben mit dem alleinigen Wissen, dass man wohl irgendwann eine Leiche zerschnibbeln müsse würde und das man lernt, wie man Blut abnimmt. Mehr wusste ich nicht.;-) Ich wusste aber auch, dass die meisten Ärzte keine Ahnung von Ernährung haben, also machte die Erklärung, dass man im Studium nichts über Ernährung lernt Sinn.
Tatsächlich hat mich das Studium aber alles über Ernährung gelehrt was ich jemals wissen wollte, was mich Populärliteratur, sei sie von Laien oder von Experten nicht gelehrt hat, nämlich Biochemie und Physiologie. Vor allem Biochemie wo man lernt welche Vitamine und Mineralstoffe der Körper für welche Vorgänge braucht, wie er welchen Makronährstoff verstoffwechselt, was in Hungerzeiten passiert und welche Hormone dazu beitragen Sättigung anzuzeigen und welche Fett einlagern und lösen. Was wenig gelehrt wurde war in welchem Nahrungsmittel was genau drin ist. - Und ich denke da sind wir beim Punkt.
Es gab eine Vorlesung in der ein Biochemiker Pi mal Daumen darüber referierte welche Vitamine und Mineralstoffe wo drin sind und das war's. Und ich glaube das ist es, was von Laien bemängelt wird: Dass Mediziner nicht auswendig lernen müssen welche schädlichen Substanzen wo drin sind und welche gesunden Substanzen wo drin sind. - Persönlich denke ich aber auch nicht, dass die Uni das lehren sollte. Dafür gibt es Tabellen im Internet oder Wikipedia. Es wird natürlich auch nicht jede Blödsinnsdiät an der Uni besprochen oder die unterschiedlichesten LowCarb-Formen. Erwähnt wurde hingegen doch, dass LowCarb unphysiologisch ist, wie Ketose funktioniert, welche Folgen sie hat, dass man damit leider ziemlich schnell ziemlich gut abnimmt, aber dass sich die meisten Mediziner darüber einig sind, dass das auf Dauer aber nicht gesund sein kann.
Später im Studium wurde dann nochmal ernähnt, dass man eher zu pflanzlichen Fetten greifen soll, dass vollwertig wichtig ist, Obst und Gemüse gesund und das Stichwort "mediterrane Ernährung" fiel. Das war es dann so weit. Das ist im Grunde das, was über Ernährung gelehrt wird. ABER – Tiefer werden auch andere Themen nicht behandelt, finde ich.
Man lernt in jedem Fach gerade so viel, dass man die Grundlagen beherrscht auf denen man sich dann Fachwissen anreichern kann. Wenn man auf dem jeweiligen Gebiet kein Interesse hat sich näher damit zu beschäftigen, bekommt man keine wirkliche Ahnung. Mich wird zum Beispiel wahrscheinlich Anästhesie nie wirklich interessieren und dann werde ich keine Ahnung davon haben. - Über Anästhesie steht aber auch nicht in jedem Käseblatt ein Artikel. Über Ernährung schon!
Ich glaube Ernährung ist vielen Medizinern zu profan, als dass sie sich dafür interessieren würde. Das ist nicht sonderlich invasiv, damit kann man nicht von jetzt auf gleich Leben retten, damit kann sich jeder beschäftigen und es ist nicht nur Ärzten vorbehalten. Und sie selbst hatten wenig Not sich damit auseinander zu setzen, weil die meisten Medizinstudenten aus Akademikerhaushalten stammen über Geld und Gesundheitskompetenz verfügen und deshalb meist nicht übergewichtig sind und sonstwie selbstschädigendes Verhalten an den Tag legen.
Nichts desto Trotz gibt es für jeden Arzt, der sich dafür interessiert sehr wohl die Fortbildung der Krankenkassen zum Ernährungsmediziner, genau so wie man sich zu Naturheilkunde oder Akkupunktur oder Schmerzmedizin oder weiß der Geier was fortbilden kann. - Ein Patient der zum Chirurgen geht um Ernährungsratschläge zu bekommen, ist da natürlich an der falschen Adresse, denn der hat wirklich keine Ahnung von Ernährung, möglicherweise nicht mal wenn er Herzen operiert und über die Cholesterinbiosynthese bescheid weiß. - Das ist nicht sein Job, nicht sein Spezialgebiet und leider nimmt die Spezialisierung ja auch immer mehr zu, was aber nur daran liegt, dass Medizin so ein wahnsinnig weites Feld ist und es unmöglich ist in allen Bereichen alles zu wissen. Manche Leute machen zwei oder drei Facharztausbildungen, aber die meisten eben nicht.
Und das ist der Grund warum ein Arzt keine Ahnung von Ernährung haben kann. Nicht, weil das Grundlagenwissen nicht gelehrt wird, sondern weil er es nicht vertieft. Ich war gestern in der Mensa essen und eine Kommilitonin gab tatsächlich von sich "Ich muss mehr Fleisch essen, mein HB ist ist immer schlecht" - Im 8. Semester ist sie und saß drei Vegetarierinnen gegenüber, deren HB völlig in Ordnung ist. Am Fleisch allein, liegt es nämlich nicht. Aber es ist ein typisches Ammenmärchen was Generationen von Allgemeinmedizinern ihren Patienten erzählen. Klar ist in Fleisch Eisen drin, aber auch viel Cholesterin und Fett. Ich habe noch nie die DGE irgendwo empfehlen hören, dass mehr Fleisch gegessen werden soll. Die empfehlen immer und immer wieder Fleisch zu reduzieren. Die Deutschen essen doppelt so viel Fleisch wie sie maritim DGE sollten. Das Eisenmangelproblem ist aber meist nicht das Fleisch, sondern die miese Qualität der sonstigen Nahrung. Menschen die kein Vollkorn, keine Hülsenfrüchte, keine Gemüse essen – und statt dessen reichlich Weißmehl und Milchprodukte bekommen einen zu niedrigen HB, wenn sie ihre Ernährung nicht auf Fleisch ausrichten. Möglicherweise sollten aber Ärzte, die keine Ahnung von Ernährung haben, auch einfach die Klappe halten bevor sie was Falsches sagen und den Patienten gleich zu einem Ernährungsmediziner überweisen. Das wäre eigentlich das richtige Vorgehen.
Menü des Tages am 6. Dezember 2016
Brokkoli und Tomaten
Haferflocken mit Banane, Carob, Zimt, Leinsamen, Erdnussbutter Kaki
Salat in der Mensa mit roten Linsen
Kaffee mit Sojamilch
2 Scheiben Sonnenblumenbrot mit Erdnussbutter
Eintopf mit Kohlrabi, Lauch, Linsen, Vollkornnudeln, Paprika, Gewürze
Und in der selben Diskussion wurden dann die Alternativen zu Medizinern diskuttiert, die regelrecht eine Katastrophe sind, wie ich finde. Das sind also zum einen Leute, die einen Kurs bei irgendeinem Rohköstler über Rohkost besucht haben und dafür unverhältnismäßig viel Kohle geblecht haben ohne irgendein solides, wissenschaftlich fundiertes Wissen zu bekommen.
Dann kann jemand einen Heilpraktiker machen, für den man als Voraussetzung nur einen Hauptschulabschluss braucht sowie ein 18-monatiges Fernstudium was ein paar tauschen Euro kostet. Man kann einen studierten Ökotrophologen aufsuchen, der entweder seinen Bachelor nach 3 Jahren oder einen Master gemacht hat – oder eben auch dessen Pendant, einen Ernährungsberater, der in einem Fernstudium das Wissen über Ernährung erworben hat und auch nur einen Hauptschulabschluss braucht und reichlich Kohle. Kranke dürfen Ernährungsberater allerdings nur in Krankenhäusern unter ärztlicher Aufsicht behandeln. Nicht in niedergelassener Praxis.
Wer also fundiertes Wissen über Ernährung in Bezug auf seine jeweilige Krankheit haben möchte sollte einen Ernährungsmediziner aufsuchen, denn der hat das fundierteste Wissen.
Und es könnte dennoch sein, dass er nicht exakt das gleiche empfiehlt McDougall, Esselstyn oder Barnard. Seine Empfehlungen werden aber in eine ähnliche Richtung gehen, auch wenn sie nicht streng vegan oder vegetarisch ausfallen. Er sollte aber auch genug Wissen haben um eine vegane oder vegetarische Ernährung für seinen Patienten zu optimieren, sollte der einen Blödsinn umsetzen, weil er auf irgendeinen Bullshit-YouTuber rein gefallen ist.
Alles Liebe,
Silke
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